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Vernehmlassung

«MASSNAHMEN ZUR REDUKTION DER LOKALEN HITZEENTWICKLUNG IN DICHT BESIEDELTEN ORTSCHAFTEN – TEILREVISION DES RAUMPLANUNGS- UND BAUGESETZES»

VERNEHMLASSUNGSANTWORT

«MASSNAHMEN ZUR REDUKTION DER LOKALEN HITZEENTWICKLUNG IN DICHT BESIEDELTEN ORTSCHAFTEN – TEILREVISION DES RAUMPLANUNGS- UND BAUGESETZES»

Sehr geehrter Herr Regierungsrat Reber
Sehr geehrter Herr Weis
Sehr geehrte Damen und Herren

Sie haben uns die rubrizierte Vernehmlassungsvorlage zur Stellungnahme zukommen lassen. Wir bedanken uns für die Gelegenheit, unsere Ansichten und Vorschläge einbringen zu können.

Zusammenfassung der Vernehmlassungsvorlage

Am Ursprung der Mühen steht die Motion Nr. 2020/298 von Landrat Thomas Noack. Der Motionär ortet ein öffentliches Interesse an zusätzlichen Massnahmen zur hohen Durchgrünung des Siedlungsraums, um die sommerliche Wärmeentwicklung abzumindern und daneben einen Beitrag zur Biodiversität und zur Siedlungsökologie zu leisten. In besagtem öffentlichem Interesse müsse es den Gemeinden möglich sein, Vorschriften zur Gestaltung des erweiterten Strassenraums – zur Reduktion von Hitze- bzw. Wärmeinseln – zu erlassen. Konkret fordert die Motion Bestimmungen im Raumplanungs- und Baugesetz (RBG) und in der Raumplanungs- und Bauverordnung (RBV), welche die Gemeinden legitimieren sollen, im Baubewilligungsverfahren verbindliche Umgebungspläne einzufordern. Auf dieser Basis sollen die Gemeinden in ihren Zonenreglementen ausserdem Kriterien zur Beurteilung der Umgebungspläne festlegen können.

Nach eher kurzer, an der argumentativen Oberfläche verbleibender Diskussion hat der Landrat die Motion am 22. April 2021 mit 49:32 Stimmen überwiesen. Während die Fraktionen der FDP und unserer Partei geschlossen dagegen votierten, waren die anderen Fraktionen dafür, worauf in einem Falle, jenem der Partei «Die Mitte» nämlich, noch kurz einzugehen sein wird.

Mit der nun vorliegenden Vernehmlassungsvorlage möchte der Regierungsrat den formellen Auftrag des Parlaments umsetzen. Er tut dies, indem den Gemeinden «grösstmöglicher Entscheidungsspielraum» eingeräumt werden soll, mithilfe einer Kompetenzordnung zugunsten ebendieser Gemeinden. Die Umgebungsgestaltung von Bauten und Anlagen soll demgemäss in Form von zonenrechtlichen Kriterien stärker in den Baubewilligungsprozess eingebunden werden. Dazu soll auch die den Gemeinden zu gewährende Kompetenz sorgen, dass kommunale Zonenreglemente neu zwingend die Einreichung von Umgebungsplänen fordern können.

Position der SVP Baselland

Vorbemerkung: Nicht alles, was grün ist, muss schlecht sein.

Unbestrittenermassen kann die Wärmestauwirkung von sog. «Hitzeinseln» in dicht besiedeltem, stark bodenversiegeltem Gebiet mit Bäumen und Grünflächen abgemildert werden; diese Erkenntnis ist indes nicht wirklich revolutionär und neu.

Dass «die Gemeinden und der Kanton selber für die Gestaltung des öffentlichen Strassenraums zuständig sind», hält auch Motionär Noack fest. Auf diese lapidare Feststellung beschränkt sich indessen sein Vorstoss, was die Massnahmen der öffentlichen Hand als Bauherrin von Strassen und Plätzen zur Reduktion der Wärmewirkung versiegelter Flächen anbelangt. Dabei könnte in diesem Bereich am meisten Wirkung für die Bevölkerung erzielt werden. Weitergehende Wirkung notabene, als es die so medienwirksame und gewissensbefreiende wie wirkungsarme Platzierung von Einzelsträuchern in Pflanztöpfen (gar auf Brücken!) durch die Stadt Basel in diesem Sommer etwa hatte. Insofern ist der durch die Motion erzeugte politische Druck etwas fehlgeleitet. Er müsste nämlich vielmehr dafür sorgen, dass im Zuge der Sanierung von Ortsdurchfahrten und Gemeindestrassen in dicht bebauten Quartieren Grüninseln entstehen. Dort nämlich, wo die Hitzeentwicklung stattfindet, auf den versiegelten Flächen selbst. Zielen die politischen Absichten hingegen auf die «an den Strassenraum angrenzenden Bereiche» (gemäss Motion), so sollen recht eigentlich private Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer kompensieren, was der Staat bei seinen Strassensanierungsprojekten versäumt. Dies kann nicht angehen.

Grundsätzlich: Nicht alles, was gut (und gemeindeautonom) gemeint ist, kommt gut (und grundrechtsverträglich) heraus.

Das Bauordnungsrecht unseres Kantons zeichnet sich hinsichtlich der Regelungsbefugnisse und der Bewilligungszuständigkeiten durch vergleichsweise ausgeprägten Zentralismus aus. Im Falle der hier in Rede stehenden Massnahmen zur Reduktion von Hitzeentwicklungen hingegen schlägt der Regierungsrat eine dezentrale Lösung vor, indem in RBG und RBV die Rechtsgrundlage für kommunale Regelungen geschaffen werden soll. So weit so löblich. Allerdings ist heute der prüfende Blick bereits auf allfällige spätere kommunale Normierungen zu richten, die auf der genannten Kompetenzzuweisung beruhen. Und dieser Blick, vor allem jener durch die Brille der verfassungsmässig garantierten Grundrechte, verursacht einiges Stirnrunzeln:

  • Die in Art. 26 der Bundesverfassung (BV) festgesetzte Eigentumsgarantie ist ein hohes grundrechtliches Gut unserer Rechtsordnung. Baurechtliche Bestimmungen, welche die Verfügungs- und Gestaltungsautonomie der Grundeigentümerin bzw. des Grundeigentümers einschränken, müssen per se von öffentlichen oder privaten Interessen abgestützt sein, die ähnlich gewichtig sind.
  • Bereits heute – und dies in zunehmendem Masse, vgl. unlängst die exzessiv ausgefallene Normierung der Thematik «Rückbau», – besteht eine Vielzahl an baurechtlichen Regelungen, die Bauwillige einhalten müssen. Gerade aber der Bereich der Umgebung ist davon bislang weniger betroffen: Massnahmen der üblichen Gartengestaltung, Stützmauern bis 1.20 m Höhe, Treppen, Brunnen, usw. sind gemäss § 94 Abs. 1 Bst. f und g RBV (zurecht) bewilligungsfrei. Der Regelung liegt zugrunde, dass Gestaltungsfreiheit bestehen solle, soweit nicht nachbarliche Rechte übermässig betroffen sind.
  • Und nun soll der Staat in Gestalt der Gemeinde auch in diesem Bereich Vorschriften machen können? Beispielsweise, indem er bestimmt, welche Pflanzungen wo zu geschehen haben? Dabei redet man unbestrittenermassen von Auswirkungen sogenannter Hitzeinseln aufs Mikroklima. Notabene auf den Ort des Geschehens, also die private Parzelle, selbst.
  • Mithin ist es nicht erforderlich, die Privaten «hitzetechnisch» gewissermassen vor sich selber zu schützen. Und es ist andererseits ernstlich zu befürchten, dass Gemeinderegelungen zur Thematik genau in diese Richtung überschiessen und das Grundrecht der Eigentumsgarantie zu wenig gewichten. Nochmals: In der Pflicht stehen unseres Erachtens in erster Linie der Kanton und die Gemeinden selbst, verfügen diese doch über den Hauptteil an versiegelten Flächen, die lokale Hitzeentwicklungen fördern.
  • Demgegenüber sind nach unserer Erfahrung die privaten Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer zunehmend selber dafür besorgt, dass das Mass an befestigten Flächen auf Baugrundstücken reduziert wird und der Grünanteil zunimmt.

Nun mag man dieser Argumentation nicht ganz ungerechtfertigterweise entgegenhalten können, dass die Grünanteile auf ganze Nutzungszonen bezogen wiederum der Hitzeeindämmung im besiedelten Gebiet förderlich sind. Dafür besteht allerdings bereits ein Instrument, nämlich jenes der Grünflächenziffer (s. auch § 18 Abs. 3 RBG); Regelungsbedarf besteht in dieser Hinsicht nicht, jedenfalls nicht in Richtung vorgeschriebener Umgebungspläne. Mit der Partei «Die Mitte» ist zwar einig zu gehen, wenn sie anlässlich der parlamentarischen Beratung der Motion darauf hingewiesen hat, dass die Grünflächenziffer in ihrer Bedeutung immer wichtiger wird. Allerdings schiesst die Stossrichtung der vorliegenden Gesetzesrevision über das Ziel, die Umsetzung der Grünflächenziffer durchsetzen zu wollen, deutlich hinaus. Es kann auch nicht im Interesse der politischen Mitte sein, diese Umsetzung mit detaillierten staatlichen Vorgaben zur Garten- und Aussenraumgestaltung bewerkstelligen zu wollen. Sollte die Vorlage auf diese oder ähnliche Weise ins Parlament gelangen, wird die entsprechende Einsicht gewiss noch eintreten, was unserer Prognose gemäss zur Korrektur des kleineren politischen Unglücksfalls der Motionsüberweisung führen wird.

Ausserdem ist festzuhalten, dass die Gemeinden bereits heute über alle erforderlichen Instrumente verfügen, wie auch die Landratsvorlage selbst auf S. 3 freimütig anführt:

  • Gemäss § 87 Abs. 4 Bst. a RBV kann die Gemeinde die Einreichung zusätzlicher Dokumente bei der Baubewilligungsbehörde beantragen, so etwa auch einen Umgebungsplan. In der Verfahrensrealität geschieht dies gegenüber der Baugesuchstellerschaft mit dem Zwischenbericht und nur dann, wenn es auch erforderlich ist.
  • Bereits der heutige § 18 Abs. 4 RBG erteilt den Gemeinden für die Zonenreglemente die Kompetenz, Regelungen über Bepflanzungen, ökologischen Ausgleich und Biotopverbund zu treffen. Nur wenige Gemeinden haben bislang davon Gebrauch gemacht.
  • Im Zuge von Quartierplanungen können gestützt auf § 38 Abs. 2 Bst. a RBG Vorgaben zur Aussenraumgestaltung gemacht werden. Dies geschieht bereits heute sehr häufig – ohne, dass noch zwei Zusatzabsätze in die Bestimmung eingefügt werden.

Nicht zuletzt führen die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe in der vorgeschlagenen Gesetzesanpassung (s. dazu den nächsten Abschnitt) dazu, dass in der Beurteilung hitzereduzierender Massnahmen eine gehörige Portion Subjektivität steckt. Die Gefahr ist gross, dass schliesslich und endlich ästhetisch und letztlich willkürlich beurteilt wird, was eigentlich einzig der Reduktion der lokalen Hitzeentwicklung dienen soll.

Insgesamt erscheint die vorgeschlagene Anpassung des RBG nachgerade als unnötig und zudem an die falsche Adresse gerichtet. Die Gemeinden verfügen heute schon über alle Möglichkeiten, ohne dass zusätzliche Detailbestimmungen ins Gesetz eingefügt werden, die am Ende lediglich der Beruhigung des legislativen Gewissens dienen und am Orte des Geschehens keine lokale Abkühlung bringen, dafür eine (Gemüts)-Erhitzung bei der Ausarbeitung und Prüfung von Baugesuchen.

Die SVP Baselland lehnt die Revisionsvorlage somit in ihrer Gänze ab. Was unter der politischen Kühldecke der Eindämmung lokaler Hitzeinseln an sich als hehres Ziel daherkommt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen nämlich als unnötige Verkomplizierung des Bauordnungsrechts mit hoher Gefahr willkürlicher Rechtsanwendung. Und dies alles erst noch örtlich nicht da, wo Kühlung Not täte (auf den versiegelten Flächen der öffentlichen Hand nämlich), sondern in der letzten Bastion freier Ausübung der Eigentumsgarantie, in den privaten Gärten und Aussenräumen.

Und ausserdem: Nicht alles, was detailliert geregelt wird, führt zu Gesetzesklarheit.

Der gesetzesentwerfenden Stelle sei sodann mitgegeben, dass die detaillierte Aneinanderreihung mehrerer unbestimmter Rechtsbegriffe wie «ökologischer Ausgleich», «klimatische Aspekte» und «hohe Qualität des Wohnumfelds» zwar einen hohen gesetzgeberischen Willen zur Umsetzung einer vom Parlament überwiesenen Motion dokumentiert, nicht aber zu Klarheit und Rechtssicherheit in der Umsetzung führt. Vor allem dann nicht, wenn die praktisch gleichen regulatorischen Möglichkeiten für die Gemeinden legitimerweise bereits mit der bestehenden Delegationsnorm gegeben sind. Auch diese verwendet nämlich unbestimmte Rechtsbegriffe – einfach in geringerer Kadenz.

Wir danken Ihnen für die geschätzte Kenntnisnahme und Berücksichtigung unserer Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüssen
SVP Baselland

sig. Dominik Straumann
Parteipräsident

sig. Peter Riebli
Fraktionspräsident

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