REVISION BESCHAFFUNGSRECHT – EINFÜHRUNGSGESETZ ZUR INTERKANTONALEN VEREINBARUNG ÜBER DAS ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNGSWESEN IVÖB UND BEITRITT ZUM KONKORDAT IVÖB
VERNEHMLASSUNGSANTWORT
REVISION BESCHAFFUNGSRECHT – EINFÜHRUNGSGESETZ ZUR INTERKANTONALEN VEREINBARUNG ÜBER DAS ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNGSWESEN IVÖB UND BEITRITT ZUM KONKORDAT IVÖB
Sehr geehrter Herr Regierungsrat Reber
Sehr geehrter Herr Tschudin
Sehr geehrte Damen und Herren
Sie haben uns die rubrizierte Vernehmlassungsvorlage zur Stellungnahme zukommen lassen. Wir bedanken uns für die Gelegenheit, unsere Ansichten und Vorschläge einbringen zu können.
Zusammenfassung der Vernehmlassungsvorlage
Aufseiten der Kantone gipfelten die Bemühungen, das Beschaffungsrecht auf Bundes- und Kantonsebene zu harmonisieren, in der revidierten Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB). Die Vereinbarung erfuhr im November 2019 die einstimmige Genehmigung der Bau-, Planungs- und Umweltschutzdirektorenkonferenz (BPUK). Damit die IVöB in Kraft treten konnte, bedurfte sie der Ratifizierung durch mindestens zwei Kantone, was inzwischen geschehen ist, haben doch die Kantone Aargau und Appenzell I.Rh. genau selbiges getan.
Damit auch unser Kanton von den Vorzügen der IVöB profitieren kann, sind ein Einführungsgesetz sowie der förmliche Beitritt vonnöten. Der Regierungsrat legt nun das Einführungsgesetz zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (EG IVöB) vor. Die IVöB selber kann nur unverändert übernommen werden. Sie wird in Gänze die bisherige Beschaffungsgesetzgebung unseres Kantons ablösen, so denn die Regierungsvorlage durch den Landrat verabschiedet wird.
Wie die Regierung darlegt, sind mit der Übernahme der IVöB beachtliche Vorteile verbunden. Für Teilnehmende an Ausschreibungen, die in mehreren Kantonen (und ggf. auf Bundesebene) tätig sind, führt das harmonisierte Beschaffungsrecht zu einheitlichen Offertprozessen und damit zu geringerem Aufwand.
Weitere Vorteile ergeben sich indessen auch innerkantonal, indem etwa Nachhaltigkeit, Innovation und Qualität bei den Zuschlägen für öffentliche Aufträge deutlich mehr Gewicht erhalten, als dies heute der Fall ist.
Position der SVP Baselland
Nur Vorteile mit dem Beitritt zur IVöB
Mit der Umstellung der Gesetzgebung ist selbstredend ein gewisser Einführungsaufwand verbunden: Die an Beschaffungsverfahren Beteiligten werden sich auf die neue Gesetzgebung einstellen müssen, die zum Teil geänderten Verfahren werden sich zu etablieren haben. Speziell gilt dies auch für Beschaffungsstellen mit nicht professionellen «Beschaffungsstrukturen», etwa kleine Gemeinden. Der Aufwand dürfte sich nach unserer Auffassung aber gleichermassen für Beschaffungsstellen wie auch für Bewerbende für öffentliche Aufträge lohnen.
Zur Erinnerung sei erwähnt, dass bereits die Einführung der heute geltenden Submissionsgesetzgebung in unserem Kanton einen grossen Schritt darstellte. Man denke daran, dass das Submissionsgesetz von 1999 einen Landratsbeschluss zum Submissionswesen aus dem Jahre 1887 ablöste. Nun, mit der IVöB, kann ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einem transparenten, (Qualitäts)-Wettbewerb fördernden und der wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Finanzmittel dienenden Beschaffungswesen erfolgen. Diese Chance sollte unser Kanton unserer Meinung gemäss nutzen.
Worin besteht denn die erwähnte Chance?
- Das Paradigma der Gesetzgebung von 1999, wonach das «wirtschaftlich günstigste» Angebot den Zuschlag erhalten soll, drückte bereits aus, dass ein starker Fokus auf dem Kriterium des Preises lag und heute noch liegt. Zwar waren auch andere Zuschlagskriterien möglich und geläufig. Wie die Erfahrung der vergangenen über 20 Jahre gezeigt hat, wies indessen zumeist der Preis die grösste Gewichtung auf. Kriterien, die Qualität oder gar Innovation gefördert hätten, blieben meistens untergeordnet.
- Nunmehr, gemäss Art. 41 IVöB, soll «das vorteilhafteste Angebot» den Zuschlag erhalten. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass eine umfassendere Betrachtung und Bewertung erfolgen soll, wenn öffentliche Aufträge zur Vergabe stehen. Zuschlagskriterien wie Kreativität, Innovationsgehalt, Funktionalität und Effizienz der Methodik, die in Art. 29 IVöB ausdrücklich als mögliche Kriterien aufgeführt sind, sollen Aspekte der Qualität und Innovation, aber auch der umfassend betrachteten Nachhaltigkeit, gegenüber dem reinen Kostenkriterium aufwerten. Dies ist aus unserer Sicht zu begrüssen. Denn nach dem bisherigen Regime führte ein zu starker Fokus auf das Kriterium «Preis» häufig – und gerade im Baugewerbe – zu extremen, teils länger anhaltenden Preiskämpfen mit Niedrigpreisangeboten und unliebsamen (Qualitäts-)Folgen bei der Ausführung der Aufträge.
- Das Basellandschaftliche Kantonsgericht war bislang im interkantonalen Vergleich bekannt für eine eher formalistische beschaffungsrechtliche Gerichtspraxis, was an sich gewünschte Freiheiten etwa bzgl. der Angabe von Gewichtungen von Zuschlagskriterien judikativ abwürgte oder mindestens einschränkte. Diese formalistisch geprägte Gesetzesauslegung führte letztlich zusätzlich zu einer Stärkung des Preiskriteriums, weil Beschaffungsstellen häufig Beschwerdeverfahren fürchteten, wenn sie eher «weichere» Kriterien zur Anwendung bringen wollten.
- Klar ist demgegenüber, dass Kreativität und Innovation dort ihr Ende finden (müssen), wo es um standardisierte Aufträge geht. In solchen Fällen darf und soll nach wie vor der Preis das einzige Kriterium sein, wie dies die IVöB auch vorsieht.
- Bei der Anwendung der verschiedenen Verfahrensarten sei ein eigentlicher «Gesetzesunfall» unserer bisherigen Beschaffungsgesetzgebung erwähnt: Im Gegensatz zu anderen Kantonen war bei uns bisher geboten, im freihändigen Verfahren nur eine Offerte einzuholen, was den Wettbewerb in diesem Bereich verunmöglichte und dazu führte, dass zum Teil für Marginalaufträge (aufwändige) Einladungsverfahren durchgeführt wurden. Mit Art. 21 Abs. 1 wird dieser baselbieterischen Unsitte endlich Einhalt geboten, sind doch demgemäss Auftraggeber berechtigt, im freihändigen Verfahren Vergleichsofferten einzuholen und Verhandlungen durchzuführen.
- Aufseiten der Eignungskriterien, der Vorgaben also, welche Anbietende erfüllen mussten, um teilnehmen zu können, waren Referenzen bislang häufig von hohem Gewicht. Dies verunmöglichte jüngeren Unternehmen häufig, sich um öffentliche Aufträge überhaupt bewerben zu können. Art. 27 Abs. 4 IVöB tendiert nun (zu Recht) in die andere Richtung. Es soll explizit nicht mehr verlangt werden dürfen, dass Anbieter bereits einen oder mehrere öffentliche Aufträge erhalten haben.
- Mithin werden Vergabestellen bei ihren Ausschreibungen künftig noch stärker darauf zu achten haben, dass keine unnötig hohen Teilnahmebedingungen und Anforderungen an die möglichen Offerenten aufgestellt werden. Dies kommt im Besonderen auch der KMU-Wirtschaft in unserem Kanton zugute.
Angesichts des Gesagten begrüsst die SVP Baselland den Beitritt zur IVöB – und damit die gänzliche Ablösung der bisherigen Beschaffungsgesetzgebung durch die Bestimmungen der IVöB – ausdrücklich.
Beim Einführungsgesetz dürfte etwas mehr Mut bewiesen werden
Als besonders positiv bewerten wir die folgenden Regelungen im vorgelegten Einführungsgesetz (EG IVöB):
- Selbstverständlich den eigentlichen Beitritt zur IVöB (§ 1 EG IVöB).
- Die Regelung des Rechtsschutzes (§ 3 EG IVöB), die zur Folge hat, dass Aufträge unterhalb der betraglichen Schwelle für das Einladungsverfahren verwaltungs- und gerichtsökonomischerweise nicht dem Beschwerdeverfahren unterstehen.
- Die Beibehaltung der Zentralen Beschaffungsstelle (mitsamt normativen Grundsätzen, § 5 EG IVöB).
- Die Beibehaltung des Beirates für das öffentliche Beschaffungswesen (§ 6 EG IVöB).
Demgegenüber hätte die Regierung unseres Erachtens durchaus etwas mehr Mut beweisen dürfen, was die Zuschlagskriterien anbelangt:
- Wie oben erwähnt, führte das heutige Beschaffungsregime nicht selten dazu, dass schlicht das «billigste» Angebot den Zuschlag erhielt. Bei den Unternehmen führte dies zu starkem Preisdruck, welcher häufig zulasten der Qualität der Auftragserfüllung ging und geht. Mit dem Zuschlagskriterium «Plausibilität des Angebots» enthält die IVöB nunmehr ein Kriterium, das dem Anspruch, dem insgesamt vorteilhaftesten Angebot zum Durchbruch zu verhelfen, auch Nachachtung verleihen soll. Das Bundesgesetz zum Beschaffungswesen, das BöB (SR 172.056.1), nennt in seinem Art. 28 demgegenüber zusätzlich das Kriterium «Verlässlichkeit des Preises». Damit ist gemeint, dass ein Angebot umso weniger Punkte erhalten soll, je weiter weg der Angebotspreis vom Medianpreis liegt. Diese einfache mathematische Anwendung ermöglicht es Beschaffungsstellen, Angebote mit deutlich abweichenden Preisen, egal ob nach oben oder unten, zu erkennen und entsprechend einzuordnen. Der Qualität kann damit mehr Gewicht verliehen werden, und die nach unten drehende Preisspirale (zulasten der Qualität) kann gebremst werden. Wie die Fachverbände bereits öffentlich darlegen, kristallisiert sich dabei eine Mischung zwischen reiner Preisbewertung und Bewertung der Verlässlichkeit als zielführend (bspw., indem der reine Preis und die Verlässlichkeitsbetrachtung je die Hälfte des Zuschlagskriteriums «Preis» ausmachen). Die IVöB indessen enthält dieses Kriterium der «Preisverlässlichkeit» nicht.
- Auch das Kriterium «Unterschiedliches Preisniveau in den Ländern, in welchen die Leistung erbracht wird» findet sich im Bundesgesetz, leider aber nicht in der IVöB.
- Der Kanton Aargau hat in seinem Einführungserlass zur Übernahme der IVöB beide Kriterien wie folgt eingefügt: «Zusätzlich zu den in der IVöB erwähnten Zuschlagskriterien können, unter Beachtung der internationalen Verpflichtungen der Schweiz, die Kriterien “Verlässlichkeit des Preises” und “Unterschiedliches Preisniveau in den Ländern, in welchen die Leistung erbracht wird” berücksichtigt werden» (§ 2 des Dekrets über das öffentliche Beschaffungswesen, DöB/AG, SAR 150.920).
- Was im Kanton Aargau möglich ist, soll in unserem Kanton nicht aussen vor bleiben: Die konsequente Förderung eines Qualitätswettbewerbs (statt reinen Preiswettbewerbs) auf der einen sowie die Berücksichtigung des hohen Preisniveaus in unserem Land und damit das Verhindern von Ungleichbehandlung gegenüber ausländischen Anbietenden.
- Wir beantragen konkret, diese beiden Zuschlagskriterien zusätzlich ins EG IVöB aufzunehmen.
Wir danken Ihnen für die geschätzte Kenntnisnahme und Berücksichtigung unserer Stellungnahme.
Mi freundlichen Grüssen
SVP Baselland
Dominik Straumann, Parteipräsident
Peter Riebli, Fraktionspräsident