TOTALREVISION DES MIETZINSBEITRAGSGESETZES UND UMSETZUNG DES GEGENVORSCHLAGS ZUR NICHTFORMULIERTEN INITIATIVE «ERGÄNZUNGS-LEISTUNGEN FÜR FAMILIEN MIT GERINGEN EINKOMMEN»
VERNEHMLASSUNGSANTWORT
PUBLIKATIONSGESETZ FÜR DEN KANTON BASEL-LANDSCHAFT
Sehr geehrter Herr Regierungsrat Dr. Lauber
Sehr geehrte Frau Wirz
Sehr geehrte Damen und Herren
Sie haben uns die rubrizierte Vernehmlassungsvorlage zur Stellungnahme zukommen lassen. Wir bedanken uns für die Gelegenheit, unsere Ansichten und Vorschläge einbringen zu können.
Zusammenfassung der Vernehmlassungsvorlage
Mit der Totalrevision des Gesetzes über die Ausrichtung von Mietzinsbeiträgen wird der nichtformulierte Gegenvorschlag zur nichtformulierten Initiative «Ergänzungsleistungen für Familien mit geringen Einkommen», welcher am 24. November 2019 vom Stimmvolk angenommen wurde, umgesetzt. Für die Umsetzung waren die Ergebnisse aus der «Strategie zur Verhinderung und Bekämpfung von Armut im Kanton Basel-Landschaft» massgeblich. Mit den Mietzinsbeiträgen wird die finanzielle Belastung von Familien und Alleinerziehenden reduziert. Gerade Familien und Alleinerziehende knapp ober- oder unterhalb der Anspruchsgrenze der Sozialhilfe werden unterstützt und damit prekäre Einkommens- und Lebenssituationen gemindert. Mit der Totalrevision werden zudem für den ganzen Kanton Mindeststandards definiert und Grundlagen geschaffen, damit die Mietzinsbeiträge zielgruppengerecht und transparent ausgerichtet werden können. Mit der Totalrevision werden Arbeitsanreize gefördert. Die Mietzinsbeiträge sind der Sozialhilfe vorgelagert und tragen dazu bei, den Eintritt von Familien und Alleinerziehenden in die Sozialhilfe zu verhindern und den Schwelleneffekt beim Austritt aus der Sozialhilfe abzuschwächen.
Position der SVP Baselland
Im Grundsatz
Die SVP Baselland anerkennt die Stossrichtung des Entwurfs der Landratsvorlage, mittels Totalrevision des Mietzinsbeitragsgesetzes den Gegenvorschlag zur nichtformulierten Initiative «Ergänzungsleistungen für Familien mit geringen Einkommen» umzusetzen. Positiv bewertet wird, dass mittels der Ausrichtung von Mietzinsbeiträgen gemäss Vorlage Sozialhilfefälle reduziert und somit einerseits Armutsfälle verhindert und andererseits Sozialhilfekosten für die Gemeinden verringert werden können. Ferner wird begrüsst, dass die Vorlage die Schwelleneffekte zwischen Mietzinsbeiträgen und Sozialhilfe abschwächt und einen positiven Erwerbsanreiz setzt. Die SVP Baselland befürwortet auch, dass die Vorlage mit der Formulierung von Minimalstandards den Gemeinden hinreichenden Spielraum für örtlich angepasste Lösungen einräumt, und dass sich der Kanton mit bis zu 50% an den Kosten, welche den Gemeinden durch die Ausrichtung von Mietzinsbeiträgen entstehen, beteiligt. Unterstützt wird auch die mit der Revision des kantonalen Ergänzungsleistungsgesetzes zur AHV und IV vorgesehene Mitfinanzierung von betreutem Wohnen, können doch damit teure Pflegeheimeintritte vermieden resp. verzögert werden, zumal eine Revision der Bundesgesetzgebung in diesem Bereich noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Kritischer betrachtet wird die relativ komplizierte Berechnung der Mietzinsbeiträge, weshalb es geboten erscheint, dass der Kanton resp. das Kantonale Sozialamt den Gemeinden ein Berechnungstool zur Verfügung stellt.
Nachfolgend wird zu einzelnen Gesetzesbestimmungen der Vorlage Stellung genommen.
§ 3 Abs. 1 MBG
Bezüglich der Zuständigkeit für die Gesuchseinreichung wird folgende Ergänzung nach Satz 1 in Absatz 1 vorgeschlagen:
Das Gesuch ist bei der Wohnsitzgemeinde der antragstellenden Person einzureichen.
(analog zu § 4a SHG, SGS 850)
§ 4 Abs. 2 lit. c MBG
Beim Begriff «deren Kinder» ist unklar, ob sich das verwendete Possessivpronomen nur auf die antragstellende Person bezieht (so die grammatikalische Bedeutung) oder ob damit auch die nicht gemeinsamen Kinder einer Person gemäss § 4 Abs. 2 lit. a und b gemeint sind (so möglicherweise der Gesetzeszweck: Abstellen auf die Unterstützungseinheit, vgl. Vorlage S. 14). Dies ist textlich zu klären.
Ferner leuchtet es nicht ein, warum in die Vorlage keine Einschränkung auf minderjährige oder in Erstausbildung stehende Kinder entsprechend dem alten Gesetz (vgl. § 3 Abs. 1 lit. a Gesetz über die Ausrichtung von Mietzinsbeiträgen vom 20. März 1997, SGS 844) aufgenommen wurde. Im neuen Gesetz ist diese Einschränkung explizit in § 4 Abs. 2 lit. c MBG aufzunehmen. Volljährige Kinder mit abgeschlossener Erstausbildung, die im Haushalt einer antragstellenden Person leben, sind bei der Ausgabenermittlung gemäss § 9 MBG nicht zu berücksichtigen. Zudem ist analog der Berechnung von Sozialhilfeleistungen für volljährige Kinder mit abgeschlossener Erstausbildung, die im Haus einer antragstellenden Person leben, ein anteilsmässiger Abzug von der Jahresnettomiete resp. angemessenen Jahresnettomiete vorzunehmen (vgl. § 11 Abs. 3 SHV).
§ 5 Abs. 4 MBG und § 1 Vo MBG
Im Unterschied zu den §§ 6 und 7 MBG fehlt hier eine Delegationsnorm zugunsten des Regierungsrates. § 1 der Vo MBG benötigt aber eine solche in § 5 MBG, weshalb eine entsprechende Ergänzung vorzunehmen ist.
Ferner ist nicht nachvollziehbar, wie mit § 1 Vo MBG der angestrebte Gesetzeszweck, dass die antragstellenden Personen in der Lage sein müssen, zumindest einen Teil der Jahresnettomiete selbst zu bezahlen (vgl. Vorlage S. 15), erreicht werden kann. Der Wortlaut von § 1 Vo MBG ist irreführend wenn nicht gar falsch, müsste es doch danach sein, dass der Mietzinsbeitrag höher ausfällt als 75 % der Jahresnettomiete resp. der angemessenen Jahresnettomiete. Folglich müsste dann die antragstellende Person maximal 25% oder eben weniger selbst bezahlen können, was kaum dem Gesetzeszweck entspricht. Richtigerweise müsste § 1 Vo MBG wohl wie folgt lauten:
Der maximale Mietzinsbeitrag beträgt höchstens (oder maximal) 75 % der Jahresnettomiete bzw. der angemessenen Jahresnettomiete.
Dies bestätigen auch die Rechenbeispiele auf den Seiten 22/23 der Vorlage (vgl. «Mietzinsbeitrag < 75 % der Jahresnettomiete») Wünschenswert wäre auch eine allgemein verständlichere Formulierung von § 5 Abs. 4 MBG.
§ 5 bis MBG (neu) Angemessenheit der Wohnungsgrösse
Die SVP Baselland hält dafür, nebst den finanziellen Obergrenzen für Mietzinsbeiträge im Gesetz auch die Angemessenheit der Wohnungsgrösse wie folgt zu limitieren:
Ein Mietzinsbeitrag wird in der Regel nur ausgerichtet, wenn die Zahl der Zimmer jene der Bewohnerinnen oder Bewohner nicht um mehr als 1 übersteigt.
§ 6 Abs. 1 lit. d MBG
Effektive Kosten für familienexterne Kinderbetreuung dürfen nur als Ausgaben anerkannt werden, wenn die antragstellende Person und allfällige Partner bzw. Partnerinnen während der Betreuungszeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Ansonsten entfällt die sachliche Berechtigung, diese Ausgaben bei der Berechnung der Einkommensgrenze zu berücksichtigen resp. als Ausgaben im Sinne von § 9 Abs. 1 lit. c MBG anzuerkennen. Die obige Gesetzesbestimmung ist entsprechend einzuschränken.
§ 7 MBG und § 3 Vo MBG
Die Vermögensgrenze und insbesondere die in der Verordnung vorgesehene Verfünffachung muss sich explizit auf § 16 Abs. 2 SHV (SGS 850.11) beziehen. Die Verfünffachung ist hingegen unangemessen für die mit der teilrevidierten Sozialhilfeverordnung vorgesehenen Vermögensfreibeträge für Personen ab 55 Jahren (vgl. § 16 Abs. 2bis SHV, GS 2021.nnn3010). Für die Vermögensfreibeträge dieser Personenkategorie (CHF 25’000.00 für eine Einzelperson resp. CHF 50’000.00 für ein Ehepaar oder eine eingetragene Partnerschaft) ist von jeglicher Vervielfältigung zur Berechnung der Vermögensgrenze bei der Anspruchsprüfung für Mietzinsbeiträge abzusehen. § 3 Vo MBG und § 16 Abs. 2 SHV gemäss vorgeschlagener Teilrevision sind entsprechend aufeinander abzustimmen.
Die in der Vorlage wiedergegebene Praxis der Sozialhilfe zur Berücksichtigung resp. Nichtberücksichtigung des Kindsvermögens (vgl. Vorlage S. 16) ist für das Mietzinsbeitragsgesetz nicht zu übernehmen. Zumindest ist eine Missbrauchsverhinderungsklausel aufzunehmen, wonach Kindesvermögen, das dem Kind von der antragstellenden Person in den letzten 10 Jahren vor der Antragstellung zugeflossen ist, ungeachtet der Bezeichnung des Kinderkontos zu berücksichtigen ist.
§ 8 Abs. 1 MBG
Sollte die vorgeschlagene Einschränkung von § 4 Abs. 2 lit. c MBG (vgl. oben) nicht berücksichtigt werden, so ist in § 8 Abs. 1 MBG zusätzlich festzuhalten, dass auch das Nettoeinkommen volljähriger Kinder mit abgeschlossener Erstausbildung, die im Haushalt der antragstellenden Person leben, berücksichtigt wird.
§ 9 Abs. 1 lit. c MBG
Hier wird auf die Bemerkungen zu § 6 Abs. 1 lit. d MBG verwiesen.
§ 12 Abs. 1 MBG
Die SVP Baselland lehnt die postulierte Unzulässigkeit der Einholung fehlender Informationen durch die Gemeinden (vgl. Vorlage S. 19) entschieden ab. Gesetzlich zu regeln ist vielmehr ein Einsichtsrecht bei der kommunalen und kantonalen Steuerbehörde hinsichtlich aller in der Unterstützungseinheit lebenden Personen, soweit dies für den Vollzug dieses Gesetzes notwendig ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die bewährte Regelung von § 7 Abs. 1 des geltenden Mietzinsbeitragsgesetzes vom 20. März 1997 (SGS 844) aufgehoben werden soll. Ergänzend sind die Gemeinden auch zu ermächtigen, bei der Sozialhilfebehörde Einsicht in allenfalls bestehende Sozialhilfeakten zu nehmen.
§ 13 Abs. 1 MBG
Grundsätzlich fragt sich, ob eine unterschiedliche Handhabung der Rückerstattungspflicht von Sozialhilfeleistungen und Mietzinsbeiträgen sachlich gerechtfertigt ist.
Wir danken Ihnen für die konzis und verständlich ausformulierte Botschaft, Ihre geschätzte Kenntnisnahme unserer Stellungnahme sowie deren Berücksichtigung.
Mi freundlichen Grüssen
SVP Baselland
Dominik Straumann, Parteipräsident
Peter Riebli, Fraktionspräsident
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