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Vernehmlassung

VERNEHMLASSUNG ZUR TEILREVISION DES GESETZES ÜBER DIE BEHINDERTENHILFE (SGS 853, BEHINDERTENHILFEGESETZ, BHG) BETREFFEND STÄRKUNG VON AMBULANTEN LEISTUNGEN

Sehr geehrte Frau Regierungsrätin Gschwind
Sehr geehrter Herr Hütten
Sehr geehrte Damen und Herren

Sie haben uns die vorgenannte Vernehmlassungsvorlage zur Stellungnahme zukommen lassen. Wir bedanken uns für die Gelegenheit, unsere Ansicht einzubringen.

Zusammenfassung der Vernehmlassungsvorlage

Die Vernehmlassung befasst sich mit der Teilrevision des Gesetzes über die Behindertenhilfe (BHG) in den Kantonen Basel-Landschaft (BL) und Basel-Stadt (BS). Das Ziel der Reform ist, dass die ambulanten Unterstützungsangebote in den Bereichen Wohnen, Tagesstruktur und Arbeit klarer definiert und ausgeweitet werden und damit die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen erhöht wird.

Die Einführung der ambulanten Arbeitsbegleitung soll den Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern und die Tagesstrukturangebote sollen flexibler ausserhalb klassischer Institutionen möglich werden. Die betroffenen Personen sollen dabei mehr Wahlfreiheit bei der Auswahl anerkannter Leistungserbringender erhalten.

Insgesamt soll die Revision mehr Teilhabe ermöglichen und eine bedarfsgerechtere, kosteneffiziente Unterstützung von Menschen mit Behinderung sicherstellen. Dabei hat die Vorlage grundsätzlich eine kostenneutrale Wirkung.

Position der SVP Baselland

Die SVP Baselland setzt sich klar für die Selbstbestimmungsrechte von Menschen mit Behinderung ein. Jede Person – unabhängig von ihren körperlichen oder kognitiven Einschränkungen – muss die Möglichkeit haben, ihr Leben soweit möglich eigenständig zu gestalten und über wichtige Entscheidungen selbst bestimmen zu können.

Die Stärkung ambulanter Angebote, welche Menschen mit Unterstützungsbedarf ermöglichen, länger in ihrem vertrauten Umfeld zu bleiben, ist zu unterstützen. Gut ausgebaute ambulante Strukturen entlasten nicht nur Betroffene und deren Angehörige, sondern tragen auch zu einer effizienten, bedarfsgerechten und kostenschonenden Versorgung bei.

Ziel ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche echte Wahlfreiheit erlauben und einen respektvollen, würdevollen Umgang mit allen Menschen sicherstellen.

Detaillierte Bemerkungen zur Vorlage bzw. Teilrevision:

Verankerung der Bedarfsabklärung für EL auf Verordnungsstufe

Die Anerkennung der individuellen Bedarfsabklärung innerhalb der Behindertenhilfe als Grundlage für Ergänzungsleistungen ist nachvollziehbar. Dennoch ist zu prüfen, ob eine Anpassung auf Verordnungsstufe ausreichend wäre. Die bisherige Regelung findet sich bereits in der Verordnung zum Ergänzungsleistungsgesetz zur AHV und IV (833.11). Eine zusätzliche gesetzliche Bestimmung könnte zu Doppelspurigkeiten führen und die Flexibilität des Vollzugs mindern.

Keine Ausweitung der Leistungen im Bereich Tagesstruktur und Arbeit

Die Vorlage sieht vor, die Leistungsarten für begleiteten Arbeitseinsatz und Tagesgestaltung ausserhalb stationärer Einrichtungen ausdrücklich zu nennen. Der heutige Gesetzestext in § 5 Abs. 1 lit. c ermöglicht bereits eine weit gefasste Auslegung und umfasst sämtliche anerkannten Leistungen zur Förderung der sozialen Teilhabe. Die neuen Begriffserweiterungen erscheinen daher nicht notwendig und bergen das Risiko redundanter sowie missverständlich enger Auslegungen. Die bestehende Systematik gewährleistet eine ausreichend flexible Leistungsdefinition.

Prüfen der Notwendigkeit von neuen Leistungen «Begleitung und Coaching»

Mit den Begriffen «Begleitung und Coaching» werden Leistungen erwähnt, die inhaltlich bereits vom bestehenden Anspruch auf «Beratung und Unterstützung» abgedeckt werden. Es ist fraglich, ob eine explizite Erweiterung auf Gesetzesstufe erforderlich ist oder ob es sich um ein Auslegungsproblem in der Praxis handelt, welches mit einer internen Weisung behoben werden kann.

Kein Mehrwert eines gesetzlichen Eingriffs zur Weiterbeschäftigung nach dem Pensionsalter

Einzelne Änderungen werden damit begründet, dass Betroffene nach der Pensionierung gekündigt würden. Das geltende Recht verbietet eine Weiterbeschäftigung nach dem Pensionsalter jedoch keineswegs. Die Frage, ob eine ausdrückliche gesetzliche Erwähnung die Praxis tatsächlich verbessert, ist zweifelhaft. Wir sehen hier keinen klaren Mehrwert eines gesetzlichen Eingriffs.

Einhaltung des Binnenmarktgesetzes

Die Zusammenarbeit zwischen Baselland und Basel-Stadt bei der Zulassung von Leistungserbringern ist im Grundsatz sinnvoll. Die vorgesehenen Bestimmungen müssen jedoch zwingend mit dem Binnenmarktgesetz vereinbar sein und Angebote aus den weiteren Kantonen dürfen nicht benachteiligt werden.

Nachvollziehbarkeit des konkreten Nutzens für Menschen mit Behinderung

Die Vorlage verweist mehrfach auf nationale und internationale Reformziele. Es fehlt jedoch weitgehend die Konkretisierung, wie die Betroffenen selbst von den Änderungen profitieren. Weder die Auswirkungen der Verschiebung der Finanzierung von Assistenzleistungen noch mögliche Verbesserungen im administrativen Ablauf werden ausreichend dargestellt. Eine Gesetzesrevision muss nachvollziehbar darlegen, welchen konkreten Nutzen sie für Menschen mit Behinderung bringt.

Überarbeitung des Umfanges und der Struktur der Vorlage

Die Vorlage erscheint im Verhältnis zu ihrem eigentlichen Inhalt überdimensioniert. Viele Ausführungen stehen in keinem direkten Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen. Zudem fehlen über weite Strecken Hinweise zu den jeweils betroffenen Gesetzesartikeln, was die Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit erheblich erschwert. Gesetzesrevisionen sollen klar, zielgerichtet und schlank ausgestaltet sein. Es ist empfehlenswert, die Vorlage gründlich zu überarbeiten, das Gesetz neu zu strukturieren und rechtlich undefinierte Begriffe zu vermeiden. Zudem ist zu prüfen, auf welche Veränderungen im Gesetz verzichtet werden kann und welche Änderungen stattdessen auf Verordnungsstufe oder mittels Weisungen zweckmässig geregelt werden können. Die Formulierungen auf Gesetzesstufe sind allgemeiner zu halten, um rigide Vorgaben zu vermeiden und die Entwicklung neuer Formen und Lösungen weiterhin zu ermöglichen.

Keine Änderung von § 10 Abs. 3

Die geplante Einschränkung in § 10 Abs. 3, wonach Leistungen nur noch bei einer «Gefährdung» erbracht werden sollen, ist nicht nachvollziehbar. Mit einer Einschränkung auf Gefährdung wird die Leistungserbringung für Personen in dringenden Situationen verunmöglicht.

Verbesserung der sprachlichen Verständlichkeit und Lesbarkeit

Die sprachliche Qualität des BHG muss hohen Anforderungen genügen, insbesondere weil das Gesetz Menschen mit Behinderung direkt betrifft. Texte wie der vorgeschlagene § 35 Abs. 2 mit komplexen Schachtelsätzen erschweren das Verständnis erheblich. Es ist zwingend, dass Betroffene, Angehörige, Beratende und Leistungserbringer klar erkennen können, welche Rechte und Pflichten gelten. Die Verständlichkeit muss daher deutlich verbessert werden.

Fazit

Die SVP Baselland anerkennt die Bedeutung einer wirksamen Behindertenhilfe und unterstützt Massnahmen, die die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung stärken und ihnen ein möglichst eigenständiges Leben ermöglichen. Insgesamt begrüsst sie die Teilrevision, jedoch erachtet sie die aktuelle Vorlage als kritisch: Mehrere vorgeschlagene Anpassungen erscheinen unnötig, redundant oder zu wenig klar begründet. Insbesondere ist Vorsicht vor einer Überregulierung auf Gesetzesstufe geboten, die zu Doppelspurigkeiten, geringerer Flexibilität und unklaren Leistungsdefinitionen führen könnte.

Die SVP Baselland fordert daher eine deutliche Straffung, Präzisierung und Überarbeitung der Vorlage, damit sie zielgerichtet, verständlich und praxisnah bleibt und einen echten Mehrwert für Menschen mit Behinderung schafft.

Wir danken Ihnen für die geschätzte Kenntnisnahme und Berücksichtigung unserer Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüssen
SVP Baselland

sig. Peter Riebli
Parteipräsident

sig. Markus Graf
Fraktionspräsident

Vernehmlassung im Pdf-Format

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