VERBOT DER UNTERRICHTSTÄTIGKEIT FÜR LEHRPERSONEN – ÄNDERUNG DES BILDUNGSGESETZES
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin
Sehr geehrte Frau Sonderegger
Sehr geehrte Damen und Herren
Sie haben uns die rubrizierte Vernehmlassungsvorlage zur Stellungnahme zukommen lassen. Wir bedanken uns für die Gelegenheit, unsere Ansichten und Vorschläge einbringen zu können.
Zusammenfassung der Vernehmlassungsvorlage
Mit der Änderung des Bildungsgesetzes vom 2. Juni 2002 (SGS 640) soll die gesetzliche Grundlage für ein Verfahren geschaffen werden, um nicht geeignete Lehrpersonen einerseits an die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zuhanden der «schwarzen Liste» zu melden und andererseits deren Unterrichtstätigkeit an Schulen des Kantons Basel-Landschaft vorübergehend oder unbefristet zu verbieten. Die kantonalen Erziehungsdepartemente sind verpflichtet, dem Generalsekretariat der EDK Lehrpersonen zu melden, denen in einem rechtskräftigen, kantonalen Verfahren die Unterrichtsbefugnis entzogen wurde. Diese werden auf die sog. «schwarze Liste» gesetzt. Der Kanton Basel-Landschaft kennt bis dato keine Berufsausübungsbewilligung oder eine Unterrichtsberechtigung für Lehrpersonen und kann diese dementsprechend nicht entziehen. Folglich hat der Kanton Basel-Landschaft bislang auch keine Lehrperson an das EDK gemeldet. Die Vorlage erörtert die Vorteile einer Praxis, die es ermöglicht, Lehrpersonen, denen die persönlichen Eigenschaften zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags fehlen, die Unterrichtstätigkeit (vorübergehend) zu verbieten. Die dabei hinterlegten Kriterien werden als Vorschlag in der Vorlage aufgelistet und erläutert. Weiter werden in den Ausführungen der Vorlage die Rechtsgrundlagen jener Kantone berücksichtigt, welche bereits Unterrichtsberechtigungen bzw. Berufsausübungsbewilligungen entziehen (z.B. die Kantone SO, BE, FR, ZG und ZH).
Position der SVP Baselland
Die SVP Baselland begrüsst die Absicht, Bestimmungen im Bildungsgesetz vom 6. Juni 2002 (SGS 640) aufzunehmen, welche es ermöglichen, ungeeignete Lehrpersonen mit einem befristeten oder unbefristeten Verbot der Unterrichtstätigkeit zu belegen. Wir sehen uns als Kanton klar in der Pflicht, zum Schutz der Auszubildenden – notabene meist minderjähriger Personen und dementsprechend schwächerer Glieder unserer Gesellschaft – unseren Beitrag zur Führung einer «schwarzen Liste» zu leisten, damit eine interkantonale Transparenz geschaffen werden kann, von welcher alle Kantone – gerade im Anstellungsprozess von neuen Lehrpersonen – profitieren können. Weiter sind wir der Ansicht, dass gerade der Kanton Basel-Landschaft mit seinen vielen Nachbarkantonen auch einen Vorteil aus einer solchen Regelung ziehen kann, zumal in unserem Kanton angestellte Lehrpersonen immer wieder auch noch in einem anderen Kanton tätig sind. Aktuell ist nämlich nicht sichergestellt, dass der Kanton Baselland vom Entzug der Unterrichtsberechtigung einer seiner Lehrpersonen durch einen anderen Kanton erfahren würde. In Bezug auf den Informationsfluss besteht nach Ansicht der SVP Baselland dringender Handlungsbedarf: Einerseits sollte die EDK den Bildungsdirektionen der Kantone in regelmässigen Abständen eine aktualisierte «schwarze Liste» zustellen (Bring-Schuld). Damit wäre gewährleistet, dass Kanton «A» von einem Verbot erfährt, welches ein anderer Kanton gegenüber einer auch im Kanton «A» tätigen Lehrperson verhängt. Andererseits ist für den Kanton Baselland sicherzustellen, dass die Anstellungsbehörde bei jeder Neuanstellung einer Lehrperson die aktuelle «schwarze Liste» der EDK konsultiert und prüft, ob ein Bewerber oder eine Bewerberin darauf vermerkt ist (Hol-Schuld).
Die Aufstellung der Kriterien für die Anordnung eines Unterrichtsverbots, die Meldepflichten der Anstellungsbehörden wie auch die Meldung des Entzugs der Unterrichtsberechtigung betrachten wir somit nicht nur als sinnvoll, sondern als angezeigt und erforderlich. Darüber hinaus ist eine solche Normierung bzw. Regelung unseres Erachtens auch umsetzbar.
Die Sensitivität und mögliche Tragweite dieser Thematik ist uns durchaus bewusst, weshalb gerade auf die Definition und Ausformulierung der Kriterien für die Anordnung eines Unterrichtsverbots ein besonderes Augenmerk gelegt werden muss. Die Umschreibung dieser Kriterien im vorliegenden Vorschlag erachten wir gestützt auf die nachfolgenden Ausführungen als noch nicht hinreichend ausgereift.
Zu § 73a Abs. 1 lit. b Bildungsgesetz: Eine «Verurteilung zu einer Freiheits- oder Geldstrafe» setzt schuldhaftes und damit strafrechtlich vorwerfbares Handeln voraus. Nicht abgedeckt ist mit dieser Formulierung aber strafrechtlich nicht vorwerfbares Handeln, insbesondere in (vorübergehender) Schuldunfähigkeit verübte Handlungen. Da sich der Begriff der «Handlungsunfähigkeit» nach lit. a vom Begriff der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bzw. Schuldunfähigkeit unterscheidet, besteht da eine gewisse Lückenhaftigkeit. Sofern diese nicht bewusst so geschaffen werden soll, wogegen spricht, dass ein vernünftiger Grund dafür nicht auszumachen ist, könnte diese mit der Formulierung «Ihre Vertrauenswürdigkeit scheint aufgrund eines begangenen Verbrechens oder Vergehens schwer beeinträchtigt» oder «[…] eines zumindest tatbestandsmässig und rechtswidrig begangenen Verbrechens oder Vergehens […]» geschlossen werden. Im selben Kontext ist auch zu beachten, dass insbesondere in den Art. 52 ff. StGB Gründe für eine Strafbefreiung normiert sind. In diesen Fällen erfolgt keine Verurteilung im Sinne von lit. b des Vorschlages, womit mit der vorgeschlagenen Formulierung in diesen Konstellation mangels «Verurteilung zu einer Freiheits- oder Geldstrafe» kein Verbot der Unterrichtstätigkeit verhängt werden könnte. Selbst für den Fall, dass solche Fälle (insbesondere Fälle von Wiedergutmachung und Betroffenheit des Täters durch die Tat) gemäss der Vorlage von Geltungsbereich von § 73 Bildungsgesetz bewusst ausgenommen werden sollen, ist zu bedenken, dass bei einer solchen, holzschnittartigen Regelung selbst in Beachtung des Prinzips der Verhältnismässigkeit die Gefahr besteht, dass den Umständen des konkreten Einzelfalls zu wenig Rechnung getragen werden kann, weil dann alle erwähnten Fälle, die nicht zu einer Verurteilung führen, vom Geltungsbereich kategorisch ausgenommen wären (sofern die Lehrperson nicht mindestens eine der weiteren Kriterien erfüllt). Hingegen verbleibt der Direktion auch bei der vorgeschlagenen Formulierung hinreichend Spielraum für einzelfallgerechte und verhältnismässige Lösungen, zumal hinsichtlich der Erfüllung des (zusätzlichen) Kriteriums der «schweren Beeinträchtigung» als unbestimmtem Rechtsbegriff hinreichend Einzelfallermessen verbleibt.
Zu § 73a Abs. 1 lit. c Bildungsgesetz: Beim grossgeschriebenen «Ihre» handelt es sich um einen Rechtschreibefehler, weshalb «Ihre» mit «ihre» zu ersetzen ist.
Zu § 73a Abs. 1 lit. d Bildungsgesetz: Unter Hinweis auf die Ausführungen zu lit. b ist darauf hinzuweisen, dass die Formulierung «offenkundig unfähig» wenig Konturen aufweist. Auch wenn auf der Hand liegt, dass es gemäss dem dahinterstehenden Bestreben darum gehen dürfte, die Anwendbarkeit auf klare Fälle zu begrenzen, erhellt nicht, worin ein solcher, offenkundiger Fall liegen könnte bzw. wo die Grenze zwischen «Unfähigkeit» und «offenkundiger Unfähigkeit» verlaufen soll. Da sich aus dieser Formulierung kein klarer Mehrwert ergibt, wäre die Praxis gefordert, diesen Begriff auszulegen und auf diesem Weg der Formulierung die erforderlichen Konturen zu verleihen.
Zu § 73a Abs. 3 Bildungsgesetz: Selbst in Beachtung der naheliegenden, wenngleich sich nicht hinreichend deutlich aus dem Gesetzesvorschlag ergebenden Annahme, dass es bei der für die Aufhebung des Verbots erforderlichen «Veränderung der Verhältnisse» um eine in dem Sinne positive Veränderung gehen muss, dass diese die Kriterien nach Abs. 1, welche zum Verbot geführt haben, relativiert, erscheint diese Formulierung als zu unbestimmt und in der Praxis wenig praktikabel. Denkbar wäre eine Klarstellung mittels der Formulierung «Haben sich die Verhältnisse in wesentlichem Ausmass günstig verändert, so dass die Weitergeltung des Verbots nicht mehr als erforderlich (oder: verhältnismässig) erscheint, verfügt […]» oder «Haben sich die Verhältnisse, die nach Abs. 1 zum Verbot der Unterrichtstätigkeit geführt haben, in wesentlichem Ausmass günstig verändert, so dass die Weitergeltung des Verbots nicht mehr als erforderlich (oder: verhältnismässig) erscheint, verfügt […]».
Zu § 73b Abs. 1 Bildungsgesetz: In Bezug auf die Formulierung «ersthafte Hinweise» lässt sich in Nachachtung der vorstehenden Ausführungen ebenfalls über die Praktikabilität diskutieren. Die Ergänzung «ernsthafte und konkrete Hinweise» dürfte geeignet sein, die Berichterstattungspflicht bei blossem «Tratsch» bzw. einem «Heisslaufen der Gerüchteküche» auszuschliessen.
Zu § 73b Abs. 2 Bildungsgesetz: Ergänzend zum Entzug der Unterrichtsberechtigung ist auch eine (allfällige) Aufhebung des Verbots nach § 73a Abs. 3 Bildungsgesetz zu melden. Zwei weitere, wesentliche Punkte erscheinen uns als noch ungeklärt:
– Einerseits erhellt aus dem Vorschlag nicht, wer über das Unterrichtsverbot entscheidet. Denkbar wäre nach unserem Dafürhalten nicht nur, dass hierfür ein (unabhängiges) Gremium seitens BKSD eingesetzt wird, sondern auch, dass darüber letztendlich einzig die Vorsteherin bzw. der Vorsteher der BKSD entscheidet. Diesbezüglich ist Klarheit zu schaffen.
– Andererseits heisst es auf Seite 7 der Vorlage: «Der Informationsfluss seitens der Strafverfolgungsbehörden ist hingegen in § 29 des Einführungsgesetzes zur schweizerischen Strafprozessordnung (EG StPO, SGS 250) gewährleistet. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung informieren die Strafbehörden andere Behörden über hängige oder abgeschlossene Strafverfahren, soweit diese die Information zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe benötigen». Für die Konstellation, in der eine Lehrperson seit mehreren Jahren an einer Schule tätig ist und sich während dieser Anstellung strafbar gemacht hat, stellt sich die Frage, wie sichergestellt ist, dass diese Information effektiv auch an den Arbeitgeber gelangt. Denn eine Mitteilung durch die Strafbehörden setzt nicht nur voraus, dass diese über diese Anstellung überhaupt Bescheid wissen, sondern auch, dass diesen im Einzelfall hinreichend klar ist, dass diese Information zur Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben benötigt wird, was sich bei vielen Strafverfahren nicht direkt aus der Fallkonstellation ergeben dürfte. Ein Informationsersuchen von Seiten der Anstellungsbehörde ist hingegen nur bei Kenntnis um das Strafverfahren möglich. Zwecks Gewährleistung des erforderlichen Informationsflusses könnten alle Lehrpersonen vertraglich oder gesetzlich dazu verpflichtet werden, eine Verurteilung proaktiv ihrem Arbeitgeber mitzuteilen. Auf diese Weise würde dieser nämlich in die Lage versetzt, bei den Strafbehörden die erforderlichen Informationen selber einzuholen. Soll die dabei weiterbestehende Möglichkeit der betroffenen Lehrperson unterbunden werden, Strafverfahren trotz einer Verpflichtung bewusst nicht zu melden, kann auch gesetzlich normiert werden, dass von Lehrpersonen nicht nur bei der Anstellung, sondern in regelmässigen Abständen aus dem Strafregister Auszüge bzw. Sonderprivatauszüge verlangt werden. Um zu verhindern, dass die Vorlage in der Praxis zum toten Buchstaben verkommt, ist die Frage des Informationsflusses dringend zu klären.
Abschliessend sei angemerkt, dass die SVP Baselland es begrüssen würde, wenn ein Erfahrungsaustausch mit Verantwortlichen von Kantonen, welche das Unterrichtsverbot bereits kennen (z.B. die Kantone ZH, BE, SO, ZG und FR), stattfinden würde, um so einerseits von deren Erfahrungen profitieren zu können. Andererseits könnten sich daraus Ansätze zur Klärung der in der vorliegenden Vernehmlassungsantwort aufgeworfenen Fragen ergeben.
Wir danken Ihnen für die geschätzte Kenntnisnahme und Berücksichtigung unserer Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüssen
SVP Baselland
sig. Peter Riebli
Parteipräsident
sig. Markus Graf
Fraktionspräsident